Umzug - Teil 1 meiner Story

#31 / 1 – Umzug, Umzug, Umzug / Wie bin ich so geworden

Wie bist du gro? geworden?

Ich bin 1985 im St. Joseph Krankenhaus in Berlin/Sch?neberg geboren. Ich bin recht beh?tet gro? geworden, bei meiner Mutter die alleinerziehend war, als Einzelkind in der Langscheidstra?e. In Sch?neberg, dort bin ich auch in den ersten Kindergarten gegangen bis zum ersten Umzug nach Tempelhof.

Wie alt bist du bei dem ersten Umzug gewesen?

Da war ich noch sehr klein, kann ich mich nicht mehr dran erinnern. Also so Kleinkindalter.

Wie ging es dann weiter mit Einschulung und so?

Ich bin mit 6 Jahren in Tempelhof auf der Paul-Simmel-Grundschule eingeschult worden. Eine sehr beh?tete Gegend und damals waren in den Klassen noch vorwiegend „deutsche“ vertreten. Das war ne echt geile Zeit denn da hab ich Sport kennen gelernt und f?r mich entdeckt. Damals gab es ein Spiel, das nannte sich Slammer, mit so runden Pappdingern, die du mit einem Plastikteil treffen musstest.

Das haben wir in der 4ten, 5ten Klasse gespielt. Auch da schon um Geld. Mit 5 Mark St?cken, wer die M?nze mit seiner 5 Mark M?nze umgeschmissen hatte, konnte das Geld behalten. Also Business ging schon fr?h los. Mit Sport ging das auch los, laufen, Fu?ballspielen sowas alles. War ne geile Zeit, da war noch alles in Ordnung.

Deine Mutter war also Alleinerziehend?

Richtig. Wenn man es genau nimmt, war ich ein Urlaubsunfall. Meine Mutter war in Italien bei einem Radrennen und dabei bin ich entstanden. Sie ist schwanger zur?ckgekommen. Meine Mutter hat mir erz?hlt, dass sie sich mit meinem Erzeuger auseinander gesetzt hat und er nichts von mir wissen wollte. Also die ganze Nummer verleugnet hat.

Du sagst ?Urlaubsunfall?. Das klingt harsch. Wie f?hlst du dich dabei?

Es ist halt so. Ich bin mit Liebe gro? gezogen worden. Meinem Erzeuger w?rde ich Vorw?rfe machen, weil er sich nicht gek?mmert hat. Ich hab auch immer gesagt ich will den nie kennen lernen. Heute denke ich da etwas anders dr?ber. Ich w?rde den Menschen schon gerne kennen lernen, kann aber nicht daf?r garantieren, dass ich ihm nicht aufs Maul haue.

Also Emotionen sind schon so ein bisschen mit im Spiel?

Absolut, ja! Alleingelassen von meinem Erzeuger. Ansonsten war von zu Hause aus alles gut. Wenn meine Mutter keine Zeit hatte, sie war ja arbeiten und anfangs sogar noch in der Ausbildung, war ich bei meinen Gro?eltern, meinem Gro?onkel oder bei Nachbarn, einer Italienischen Familie. Da bin ich dann unter gekommen. Das war alles cool und ne geile Zeit. Ich habe erst zu einem viel sp?teren Zeitpunkt realisiert das mein Gro?vater schon da immer ein Bier in der Hand hatte. Das war in dem Zeitraum vor dem Umzug nach Tempelhof.

In Tempelhof haben wir dann in der Mannteufelstra?e gewohnt, in einer 2 Zimmer Dachgeschosswohnung. Da hatte ich ein Zimmer, was halb mein Zimmer und halb Rumpelkammer war. Dort war ein riesiger Schimmelfleck an der Decke und eventuell kommt mein Asthma da her. Ich habe Bronchial Asthma und mein letzter Anfall liegt aber so ca. 5-6 Jahre zur?ck, das hat sich zum Gl?ck ganz gut gebessert.

Wann haben die Asthma-Anf?lle in deiner Kindheit begonnen?

Ich wei? es nicht so genau. Ich kenne es nicht anders, bin mit diesen Asthma-Anf?llen? gro? geworden. Musste fr?her jeden Abend Kochsalzl?sung, in einem Ger?t namens Pari Boy, inhalieren. Das wurde direkt als Behandlungsform verschrieben. Bei Anf?llen habe ich auch heute noch einen Inhalator mit Salbutamol in der Tasche, das ist ein Kortison haltiges Spray, welches die Lungenbl?schen erweitert.

Die Asthma-Anf?lle waren schlimm, man bekommt Panik weil man keine Luft mehr bekommt. Das ging von bestimmt bis zu meinem 10ten Lebensjahr so. Ich hatte w?hrenddessen immer Panik und ich habe auch in den Gesichtern meiner Familie gesehen, dass die auch Panik hatten. Wenn ich versuche das zu rekapitulieren, hatte ich immer das Gef?hl ich gehe hier bald drauf.

Wie oft hattest du die Anf?lle?

Das kann ich nicht so genau sagen, mal war es mehr, mal weniger. Auf der Stra?e, wenn die Leute mich gesehen haben, also ein kleines heulendes Kind, dachten die ich wurde misshandelt. W?rde ich auch denken wenn ich so ?n Kind sehe was rum heult und nach Luft japst. Man kann sich das wie eine Panik Attacke vorstellen. Der Hals zieht sich zusammen, deine Atmung wird automatisch schneller, du kriegst Panik weil du keine Luft mehr bekommst, dabei bist du die ganze Zeit am Einatmen. Die meisten Asthma Patienten vergessen auszuatmen. Die japsen nach Luft, aber die Lunge ist voll. Dann bekommt man noch mehr Panik, das ist so ?n Teufelskreis.

Abgesehen vom Asthma, wie ging es dann weiter in der Grundschule?

Auf jeden Fall mit Sport, das hat das ganze verbessert. Das Lungenvolumen ist angestiegen. Ich bin dann in die Oberschule in Mariendorf, die Hermann-K?hl-Oberschule, gegangen. Zu dem Zeitpunkt war das schon der dritte Umzug. Von der Manteufelstra?e in die Borussiastra?e und dann an den Mariendorfer Damm. Wir hatten ungef?hr alle 2 Jahre einen Umzug innerhalb Tempelhof-Sch?neberg. Dann bin ich auf die Hermann-K?hl-Oberschule in den Realschulbereich gekommen und da ging es dann los mit profilieren. Da war das sch?ne Grundschulleben vorbei.

Alle zwei Jahre umgezogen aber immer in der N?he geblieben, also wurdest du nicht aus deinem sozialen Umfeld gerissen?

Richtig ich wurde nicht nach jedem Umzug aus dem Umfeld gerissen, die Wege sind nur weiter geworden. Wenn Freunde die vorher Nachbarn waren, dann weiter weg wohnten. Ich war auch immer ein notorischer ?Nicht-Nach-Hause-Kommer?. Nach der Schule habe ich mich mit Leuten getroffen zum Fu?ball, hab rum gehangen oder war bei denen zu Hause.

Wie war es denn f?r dich st?ndig umzuziehen?

Umzug, Umzug, Umzug … Schwierig zu beschreiben, f?r mich war es normal. Obwohl es ja nicht normal ist. Aber ich kannte es ja nicht anders.

Wie hat sich der kleine Roman damals gef?hlt?

Ich hab das damals nicht so richtig als schlimm empfunden. Erst als wir aus Berlin rausgezogen sind, da war ich in der 9. Klasse und? bin auch das erste Mal sitzen geblieben, weil Sachen wichtiger waren wie kiffen und schei?e bauen. Mit 13 Jahren hatte ich angefangen zu kiffen, also 7. Klasse. Ich hab dann den Sport immer mehr sausen lassen, wurde schlechter in der Schule weil das Aufnahmetechnisch nicht mehr so gut funktioniert hat.

Dann sind wir nach Velten gezogen und da wurde ich zum ersten Mal so richtig aus meinem Umfeld raus gerissen. War ne Entfernung von ca. 50-60 km. Ich hab am Anfang gesagt ich bleib hier auf der Schule, es ist mir schei? egal wie ihr das macht. Ich glaube der Umzug sollte bezwecken, dass ich nicht auf die schiefe Bahn gelange.

Gab es denn Abgesehen vom Sitzenbleiben Anzeichen daf?r?

Naja zu der Zeit waren die ersten Male wo ich Stockbesoffen nach Hause kam. Das Pfingstfest in Mariendorf, da hab ich mich das erste Mal richtig weggeschossen. Meine Mutter und ihr Lebensgef?hrte hatten dann zusammen beschlossen weg zu ziehen. Sie hatte ihn kenne gelernt als ich 6 Jahre alt war, ich habe ihn aber nie akzeptiert. Bis heute nicht.

Nie akzeptiert als Vaterfigur oder als Person?

Doch als Person schon, aber nie als Vaterersatz. Dazu h?tte er auch eine gewisse Autorit?t und Kompetenz haben m?ssen. Klingt jetzt asozial, aber jemand schwaches w?rde ich nie als mein Vormund akzeptieren. Ich bin Einzelkind, mein Opa hat mir schon immer gesagt du bist der Mann im Haus und musst auf deine Mutter aufpassen. Also habe ich mir von dem Lebensgef?hrten meiner Mutter nix sagen lassen.

Gab es Spannungen bei dir zu Hause?

Ununterbrochen. Ich hab ihm von Anfang an auch keine Chance gegeben.

War das ein Grund warum du viel unterwegs warst und dir die Kante gegeben hast?

Dar?ber habe ich noch nie nachgedacht. Aber m?glich ist es. Zu Hause hat mich immer abgefuckt. Genau kann ich es nicht sagen, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es daran lag.

Wie ging es nach dem Umzug nach Velten weiter?

Der Umzug nach Velten war 1999. Das hat man nicht mit mir besprochen, das war dann so. Der 4. Umzug mit 14 Jahren. Ich wurde von meinen Freunden entfernt und da hatten wir noch keine Handys. Ich war komplett weg von allem und hatte auf einmal keine Freunde mehr. Wir sind da zum Anfang der Sommerferien eingezogen und ich bin die kompletten 6 Wochen nicht aus meinem Zimmer raus gekommen.

Ich hatte, wahrscheinlich aus Mitleid, das beste Zimmer in der ganzen Wohnung bekommen. Das war eine Maisonette Wohnung mit Keller und einen eigenen Zugang den hatte ich dann f?r mich. Die Wohnung war Bombe. Nichts desto trotz war die Situation schei?e. Ich habe die ganze Zeit vor dem Fernseher und der Konsole verbracht.

Gab es da auch den Gedanken deine Sachen zu packen und abzuhauen?

Ja den gab es oft. Hab ich aber nicht gemacht, ich war ja nicht ?berlebensf?hig. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt noch nicht, sp?ter bin ich dann ja abgehauen. Ein Tag vor dem Ende der Sommerferien bin ich dann auf Erkundungstour gegangen. Gezwungener ma?en weil dann die Schule wieder los ging und? ich ja wissen musste wo ich lang muss. Auf dem Weg hab ich einen Tartanplatz gesehen und da haben welche Fu?ball gespielt.

Da bin ich dann hin und hab gefragt ob ich mitspielen darf, hat geklappt und auch Spa? gemacht. Einen kurzen Moment hab ich mich gefreut, dass es da doch coole Kids gab. Irgendwann sagt der eine so zu mir: ?Na, kiffen wa?? Ich dachte nur Jackpot und sagte ?Ja klar, wenn du was mitbringst?? da guckte er mich an mit so ?nem Todesblick ?Wir m?gen hier keine Kiffer!? Und dann war eigentlich alles klar, mit denen willst du nicht rumh?ngen. Die haben mir auch nicht erkl?rt warum die das nicht m?gen. Im Nachhinein hab ich gecheckt, dass das Neonazis waren und h?tte ich mich mit denen besser verstanden, dann h?tte ich mich vielleicht in diese Richtung entwickelt.

Zu dem Zeitpunkt hattest du schon mit dem Kiffen angefangen?

Ja, ich hatte schon in Berlin angefangen zu kiffen. Mit 13 Jahren in der 8ten Klasse. Ich hab f?r nen Klassenkameraden, ohne es zu wissen, in nem Rucksack eine 100er Platte Hasch transportiert. Wir haben auch hinter der Schule direkt neben einen M?llcontainer gekifft, ich hab gar nichts gemerkt. Da hat mir ein Kumpel einen Shut gegeben. Dann hat es mich richtig umgehauen und ich war voll high.

Mit dem Kiffen angefangen habe ich weil ich zum ersten Mal meinen Onkel gesehen hatte als der kiffte. Mit nen paar Kumpels und die waren so entspannt, das wollte ich auch. In dem Moment hatte ich entschieden, dass ich kiffen will. In meiner Familie gab es viel Stress, alle haben sich untereinander gezofft. Und mit dem Kiffen war das dann wie eine Oase der Ruhe.

Hat dich das damals sehr belastet?

Ja, unterbewusst auf jeden Fall. Irgendwann kam meine Oma mal heulend zu uns nach Hause weil mein Opa sie unter Alkohol geschlagen hatte.

Hatte dein Opa ein Problem mit Alkohol oder war das ein Ausrutscher?

Der hatte ein Alkoholproblem. Immer wenn ich bei meinen Gro?eltern zu Besuch war, meine Oma essen gekocht hatte und Opa nicht p?nktlich da war, musste ich ihn mit 6 Jahren aus der Kneipe abholen.

War er da betrunken?

Ja. Allerdings wusste ich es damals nicht. In meine Augen war er lustig.

Zur?ck zu der Schule und den Neonazis?

Ich bin so froh, dass ich nach dem Umzug nicht bei denen gelandet bin. H?tte ich mit denen gesoffen, h?tte es vielleicht anders ausgesehen. Am n?chsten Tag bin ich dann zum ersten Schultag zur Schule gegangen. Bin in diesen Gang gekommen, da war nur Mord und Todschlag. Es sind F?ller, ?pfel und Pausenbrote geflogen, ich dachte mir alter wo bist du nach dem Umzug aus Berlin denn jetzt hier gelandet?

Ich hab mich dann auf nen freien Platz gesetzt und musste mich der Klasse vorstellen, da ich aus Berlin kam, war ich erstmal voll interessant. In der Pause habe ich versucht Anschluss zu finden, der Typ der neben mir in der Klasse sa? stand mit noch zwei Leuten zusammen und hat geraucht, hab mich dann dazu gestellt. Rauchen verbindet auf dem Schulhof, aus nem Gespr?ch kam dann hervor das die auch kiffen. Kiffen verbindet auch und dann ging eine sehr extreme Phase los was rauchen angeht.

Das war der erste von insgesamt 4 Teilen in dem ich euch erz?hle wie ich so geworden bin.

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